Verbandsarbeit

Chronik

Vier Vereine aus Bochum, Burgsteinfurt, Dortmund und Hörde mit zusammen 33 Mitgliedern gründeten am 4. April 1869 den Westdeutschen Stenographenbund. Das war die erste stenografische Verbandsgründung im rheinisch-westfälischen Raum überhaupt.

Alle Stenografenvereine, die diesem Verband bei der Gründung angehörten und in den nächsten Jahren beitraten, pflegten das System Gabelsberger. Vereine, die andere Systeme vertreten, waren in unserem Verbandsgebiet bereits vor den Gabelsbergerschen Vereinen entstanden. So vertraten die 1855 in Elberfeld, 1856 in Barmen und Minden, 1857 in Duisburg gegründeten Stenografenvereine das System Stolze. Die ersten Vereine nach dem System Gabelsberger wurden 1861 in Essen und Duisburg ins Leben gerufen.

In den ersten fünf Jahren des Bestehens hat die stenographische Vereinigung viermal ihren Namen geändert. So wählte man am 10. April 1870 den Namen „Wanderversammlung westfälischer Stenographen, am 1. Oktober 1871 – nachdem sich auch Vereine aus der Rheinprovinz angeschlossen hatten – „Wanderversammlung westfälisch-rheinischer Stenographen, am 6. Oktober 1872 „Verband westfälisch-rheinischer Stenographen“ und am 29. März 1874 – wahrscheinlich nachdem mittlerweile die Vereine aus dem Rheinland die größte Mitgliederzahl aufwiesen – „Verband rheinisch-westfälischer Stenographen“.

Die Zeit bis 1900 war bestimmt von heftigen Systemkämpfen – es gab um 1900 mehrere hundert Systeme. Im rheinisch-westfälischen Raum handelte es sich aber hauptsächlich um Kämpfe des Gabelsbergerschen und Stolzeschen Systems. Wenn diese Fehde der Kurzschriftsysteme untereinander an und für sich auch bedauerlich war, so trug sie doch auf der anderen Seite zum Anwachsen des Verbandes bei, wie sich aus den folgenden Zahlen erweist:

Der „Westdeutsche Stenographenbund“ wurde schnell größer, einmal durch Erhöhung der Mitgliederzahlen der vier Gründervereine, zum Anderen durch den Beitritt weiterer Vereine und schließlich durch Gründung neuer Stenografenvereine.

Nachdem bereits einen Monat nach der Verbandsgründung die Verbandszeitschrift „Konkordia“ erschien, wurde am 1. Januar 1886 die Einführung der „Deutschen Stenographenzeitung“ als Verbandsorgan beschlossen. 1897 wurde die Zeitschrift vom damaligen Bundesvorstand als Organ des Bundes übernommen und bis zum heutigen Tage vom Deutschen Stenografenbund als „Deutsche Stenografenzeitung“ beibehalten

Mit Beginn der Jahrhundertwende wuchsen die Vereine, die das System Stolze-Schrey pflegten – die Systeme Stolze und Schrey hatten sich 1897 zusammengeschlossen -, sehr rasch. Das neue System Stolze-Schrey erfuhr gerade im Rheinland und in Westfalen eine starke Verbreitung. Dazu mag vor allem auch beigetragen haben, dass Ferdinand Schrey aus Wuppertal stammte.

Trotz allem gedieh der „Verband rheinisch-westfälischer Stenographen“ – seit 1911 unter der Bezeichnung „Gesamtverband rheinisch-westfälischer Stenographen“ – weiter. Zum 49. Verbandstag vom 25. bis 29. Juli 1914 in Düsseldorf, der mit dem 10. „Stenographentag des „Deutschen Stenographenbundes verbunden wurde, kamen über 5.000 Teilnehmer zu den Wettschreiben

Der Erste Weltkrieg 1914 – 1918 hatte zur Folge, dass durch die Besetzung des Rheinlandes, durch die fortschreitende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und durch die Inflation die Arbeit vieler Stenografenvereine zum Erliegen kam. Bis 1919 konnten keine Verbandstage mehr stattfinden. Die Mitgliederzahlen gingen stark zurück.

Bereits 1906 begannen Verhandlungen um ein Einheits-System. Diese zogen sich – auch bedingt durch den Ersten Weltkrieg und die anschließenden politischen Veränderungen – bis zum Jahre 1924 hin. Nach Schaffung der Deutschen Einheitskurzschrift nahmen die Verbandsvereine der neuen Kurzschrift gegenüber zunächst noch eine abwartende Haltung ein. Nur auf besonderen Wunsch wurde in beschränktem Umfange Unterricht in der Deutschen Einheitskurzschrift erteilt. Der Verbandstag vom 6. bis 8. Juni 1925 in Essen stellte sich jedoch entschlossen vom System Gabelsberger auf die Deutsche Einheitskurzschrift um.

Die Entwicklung des Verbandes ging wieder rasch aufwärts:

In dieser Zeit erweiterte sich auch das Arbeitsgebiet der Vereine, wo neben der Kurzschrift das Maschinenschreiben in verstärktem Maße gepflegt wurde.

1933 erfolgte die zwangsweise Umwandlung des Deutschen Stenografenbundes in „Deutsche Stenografenschaft“, die dabei in Gauverbände eingeteilt wurde. Die Gauverbände waren mit den bisherigen Verbänden gebietsmäßig nicht identisch. Zum Beispiel entstanden im rheinisch-westfälischen Raum sechs Gauverbände, die 1934 in Koblenz einen gemeinsamen Verbandstag durchführten, anschließend aber ein „Eigenleben“ führten. Die bisherigen Verbandsvereine wurden in Ortsvereine der Stenografenschaft umgewandelt.

Es zeichnete sich mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 – 1945 eine zwar langsame, aber stete Abwärtsentwicklung ab. Dem Idealismus der Mitarbeiter in den stenografischen Organisationen wurden durch die Zentralisierung schwere Belastungsproben zugemutet, und am Ende des Zweiten Weltkrieges war das stenografische Vereinsleben zum Erliegen gekommen.

Bereits kurze Zeit nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges kam es zur Wiederaufnahme der früheren Vereinstätigkeit und zu Vereinsneugründungen. Der „rheinisch-westfälische Stenografenverband“ wurde am 19. Oktober 1946 in Herne wiedergegründet, jedoch wegen der neuen Zonen- und Ländereinteilung ohne die Regierungsbezirke Koblenz und Trier, dafür aber mit dem Regierungsbezirk Osnabrück.

Viele Hunderttausende von jungen Menschen haben nach dem Zweiten Weltkrieg in den Stenografenvereinen die Kurzschrift und das Maschinenschreiben erlernt und konnten im Rahmen der Ausbildungsprogramme der Vereine ihre Kenntnisse und Fertigkeiten vertiefen. Das „Wirtschaftswunder“ zeigte sich auch in den Mitgliederzahlen:

Ende der Fünfziger Jahre trat eine gewisse „Vereinsmüdigkeit“ ein. Im Hinblick auf die gute Konjunktur, war es für viele Arbeitsnehmer nicht mehr erforderlich, sich durch besondere Kenntnisse und Fertigkeiten für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Bis 1968 – dem Jahr des 100-jährigen Jubiläums – sank die Zahl der Verbandsvereine auf 168; die Mitgliederzahl fiel auf 24.143. Diese Entwicklung setzte sich bis zum heutigen Tage fort.

Es ist festzustellen, dass die Stenografie in der öffentlichen Meinung als veraltet und überflüssig angesehen wird. Modern gesprochen hat das Marketing der stenografischen Organisation in den vergangenen Jahrzehnten versagt. Es ist nicht gelungen, die Vorstellung von der Diktatschriftschrift („Fräulein, bitte zum Diktat“) aus den Köpfen der Bevölkerung zu bekommen und dafür die Stenografie als rationelles und wirtschaftliches Hilfsmittel aller Menschen in Büros und Verwaltungen aufzubauen.

Gelungen ist dafür der Wandel im Bereich Tastschreiben. Mit der Ablösung der Schreibmaschinen durch immer leistungsfähigere Computer hat sich das Unterrichtsangebot der Stenografenvereine den neuen Bedürfnissen angepasst.

Zahlreiche Vereine bieten heute über das einfache 10-Finger-Tastschreiben hinaus Kurse in allen Bereichen der modernen Informationstechnologien. Auf diesem Weg wird der Stenografenverband fortschreiten und sich durch sein Engagement im Bereich der Jugendarbeit und der Vereinsarbeit mit Wettschreiben und geselligen Veranstaltungen positiv von kommerziellen Anbietern abheben.